Das Projekt „Meine Stadt – Meine Geschichte“ widmet sich dem unvoreingenommenen Verstehen der Geschichte und der Archäologie in der Stadt Jerusalem.

Jenseits von politisch oder religiös aufgeladenen Geschichts-Narrativen beabsichtigt das Projekt, den Schülerinnen einen spannenden, kreativen und vor allem  ideologiefreien Zugang zu der Geschichte ihrer Stadt zu vermitteln.

Dies hat an einem Ort wie Jerusalem eine große Bedeutung, da im Rahmen eines solchen Projekts die geschichtlichen und religiösen Überzeugungen der Schülerinnen herausgefordert werden und durch einen möglichst neutralen Umgang mit historischen und archäologischen Quellen ein Reflexionsprozess angestoßen werden kann, der sich nicht nur auf das Lernverhalten der jungen Schülerinnen auswirkt, sondern auf lange Sicht auch einen kleinen Beitrag zu einer besseren Verständigung leisten kann. Denn die Arbeit mit den Schülerinnen offenbarte auch eine wirkkräftige Verankerung des Denkens in der Religion. Vielfach wurden islamische Glaubensvorstellungen unreflektiert als historische Fakten begriffen. Hier die Unterscheidung von historischen Fakten, religiöser Überzeugung und moderner Politik einzuführen, scheint ein notwendiger und hoffentlich friedensstiftender Schritt zu sein.

Spannungsfeld Geschichte – Ideologie

Die taz (vom 3.11.2015) fragte Scheich Mohammed Ahmad Hussein – Großmufti von Jerusalem und Palästina; „Sie behaupten, dass es auf dem Tempelberg in Jerusalem niemals einen jüdischen Tempel gegeben hat, dort, wo heute der Felsendom steht. Haben Sie Beweise dafür?“

Antwort: „Bitte sprechen Sie nicht von Tempelberg. Dies ist eine Moschee. Der richtige Name lautet Haram al-Scharif, und ich wehre mich gegen jede andere Bezeichnung. Es gab dort niemals etwas anderes als eine Moschee…Religionen brauchen keine Beweise. Sie basieren auf Botschaften von Gott. Die Muslime bezeichnen die Moschee als Al-Aqsa-Moschee, und so ist es.“

Erlebnisberichte

Anstatt Gehörtes unhinterfragt zu übernehmen, lernen die Schülerinnen, kritische Fragen zu stellen und die Fakten in den Blick zu nehmen.

„Während des Projekts habe ich unglaublich viele neue Informationen gelernt, die mich zum Nachdenken geführt haben. Warum war das so? Oder war das wirklich so?“
„Für mich ist es ein spannendes Thema. Man kann viele Dinge kennenlernen über seine Stadt und man kann an viele Orte gehen und es sehen, und besser verstehen.“

Die unterschiedlichen Narrative des Nahostkonfliktes sorgen z. B. dafür, dass die in der Wissenschaft völlig unstrittige Frage, ob es vor 2000 Jahren auf dem Tempelberg einen jüdischen Tempel gegeben hat, für die Schülerinnen zur Herausforderung wird.

„Ich weiß, dass es vor dem Felsendom einen christlichen Tempel gab, aber dieser jüdische Tempel, ich denke, ist nicht richtig. Also, vor Aqsa und Felsendom gab es keinen jüdischen Tempel.“
„Die Juden sagen, es gibt einen Tempel – wir glauben das nicht, wir glauben, dass die Juden ihn dort hingestellt haben, nur um zu sagen, es gehört uns und nicht den Muslimen.“
Daraufhin werden dann die Autoritäten von Zuhause befragt. Da werden die Handys gezückt und die Mama oder die Oma angerufen und es wird noch mal nachgefragt, wie siehst du denn das? Wie hast du mir denn das erzählt?“

„Die vielleicht wichtigste Erfahrung dabei ist einerseits schmerzlich, weil der erlernte Blick auf die Geschichte Risse bekommt, andererseits eröffnet die kritische Reflexion jedoch auch ganz neue Horizonte jenseits der unfruchtbaren Täter-Opfer Schemata. Wenn die Schülerinnen nach drei Wochen die Ergebnisse ihrer Recherchen an den Plätzen in der Stadt präsentieren, die mit ihren Themen verbunden sind, hat sich ihr Blick geweitet. Ob es am Ende tatsächlich gelingt, die Denkmuster nachhaltig aufzubrechen, muss natürlich offen bleiben“ (Dr. Hocke, Schulleiter).

„Jerusalem ist ein Platz für die drei Religionen; alle dürfen hier leben, weil es einmal sehr heilig war für sie. Also, alle dürfen hier leben, davon bin ich mehr überzeugt.“

Vgl. hierzu Brigitte Jünger, „Schulprojekt in Israel. Unsere Stadt Jerusalem“, RELIGIONEN / ARCHIV, Deutschlandfunk Kultur, Beitrag vom 19.06.2016

„Wir wurden geboren, und wir sind in die Schule gegangen, wir sind aufgewachsen und haben uns verändert.

Leben.
Wir wachen jeden Tag auf, öffnen unsere Augen, essen Frühstück, ziehen uns an, waschen unsere Gesichter und gehen zur Schule. Wir lernen und lernen, wir verbringen unseren Tag in der Klasse und lesen in Büchern. Das ist unsere Routine. Das, was jeden Tag in unserem Leben passiert, aber in den letzten zwei Wochen, haben wir etwas neues kennen gelernt. Unsere ‚Routine’ war seitdem nicht mehr die gleiche, denn etwas hat unser Denken verändert.

in den vergangenen zwei Wochen, haben wir durch das Archäologieprojekt eine ganz andere Form des Unterrichts kennengelernt. Wir haben uns in der gruppe mehrfach die Woche getroffen und haben unsere eigenen Vorträge vorbereitet. Wir haben darauf hingearbeitet, selber anderen etwas beizubringen!

Durch diese ganz andere Seite des Lernens haben wir viele Sachen erkannt, die wie nie wussten. Sehr viel lernten wir über die Geschichte Jerusalems. Über die Geschichte unserer Stadt, über unsere eigene Geschichte!

Schule besteht nicht nur aus aufwändigem Lernen und sich Sachen zu merken sondern auch darin, sie wirklich zu verstehen. Im Projekt haben wir Vieles mit Spaß gelernt und vor allem, haben wir Geschichte verstanden! Wir wussten kaum etwas über die beeindruckende Geschichte unserer Stadt. Es war für uns etwas neues!

Gearbeitet haben wir mit zwei Archäologen, Marcel und Katja, die sehr nett und freundlich zu uns waren. Mit ihnen haben wir viele historische Orte besucht und haben Stadtführungen gemacht. Wir sind zwar viel gelaufen, das war ein bisschen anstrengend, aber es hat sich immer gelohnt.

Am letzten Freitag haben wir unsere Vorträge gehalten und sind danach zusammen Essen gegangen. Das fand ich besonders schön.

Wir haben nie gedacht, dass Herr Schmitz so ein großes Projekt mit uns machen würde. Aber zusammen haben wir es geschafft, denn zusammen können wir so einiges.

Juan Tutunji (2014)